Zur Rechtmäßigkeit einer verhaltensbedingten Kündigung wegen grober Beleidigung des Vorgesetzten

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23.03.2010 – 5 Sa 254/09

Die Äußerung eines Bauarbeiters zu seinem vorgesetzten Polier „Komm her du Arschloch, ich hau dir paar in die Fresse“ stellt eine Beleidigung dar, die an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB zu rechtfertigen.(Rn.24) Bei der notwendigen Einzelfallbetrachtung kommt es sowohl auf den Vorlauf des Dialogs, der zu der Äußerung führte, als auch auf das weitere Geschehen an. Ist die Beleidigung eine Reaktion auf eine in der Sache nur schwer nachvollziehbare und im Ton missglückte Anweisung des Vorgesetzten, kann es an der für die Kündigung notwendigen „groben Beleidigung“ (vgl. BAG 10.10.2002 – 2 AZR 418/01DB 2003, 1797) fehlen.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen fristgemäßen sowie einer weiteren vorsorglich erklärten ordentlichen Kündigung.

Der 1956 geborene, verheiratete Kläger ist bei der Beklagten seit Mai 2001 als Baufacharbeiter mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Monatsbrutto in Höhe von 2.190,00 Euro beschäftigt.

Im Februar 2009 war der Kläger auf einer Baustelle der Beklagten an der Neubaustrecke der Bundesautobahn A14 südlich des Autobahnkreuzes W. beschäftigt. Da der Kläger seinen Wohnsitz in A. hat, war er während den Arbeitswochen vor Ort in einer vom Arbeitgeber gestellten bzw. bezahlten Unterkunft untergebracht. Der Kläger gehört zu einer Kolonne, mit deren Polier – Herrn Sch. – er seiner Aussage nach gut zusammenarbeitet. Wegen Ausfall dieses Poliers war der Kläger im Februar 2009 jedoch zeitweilig in einer anderen Kolonne unter dem Polier Herrn S. tätig. Zwischen Herrn S. und dem Kläger gibt es schon seit langem Spannungen. Der Kläger meint, Herr S. könne ihn nicht leiden und würde ihn daher bei der Zuteilung von Arbeit und bei anderen Dingen benachteiligen.

Am 18. Februar 2009 war der Kläger mit dem Kollegen A. damit beauftragt, das Gerüst für die spätere Schalung für eine Wildbrücke über der Autobahn aufzubauen. Es war bereits kurz vor Feierabend gegen 16:00 Uhr und der Kläger und der Kollege A. hatten damit begonnen, ihren Arbeitsbereich aufzuräumen und das Werkzeug zum Zwecke des Abtransports zum Aufbewahrungsort zusammenzupacken. Dabei hatten der Kläger und der Kollege A. ihre Arbeit für ungefähr fünf Minuten unterbrochen und hatten sich unterhalten. Dies hatte der Polier Herr S., der sich mit einem anderen Polier, Herrn L., in einiger Entfernung zum Kläger und dem Kollegen A. aufhielt, gesehen.

Darauf kam es zu einem lautstark geführten Dialog zwischen Herrn S. und dem Kläger, der von der Beklagten zum Anlass für den Ausspruch der hier streitgegenständlichen Kündigungen genommen wurde. Viele Einzelheiten des Dialogs sind nach wie vor streitig. Unstreitig begann der Dialog mit einer Äußerung durch Herrn S. an den Kläger und den Kollegen A., die man in ihrem sachlichen Kern als Aufforderung verstehen kann, weiterzuarbeiten. Der Kläger reagierte gereizt und verärgert auf diese Aufforderung. Der Kläger hat entweder an Herrn S. gerichtet geantwortet, „Komm doch her du Arschloch, ich hau dir paar in die Fresse“ (so die Beklagte) oder er hat an den weiteren Polier Herrn L. gerichtet sinngemäß zurückgerufen „Wenn ich dem jetzt eine hauen würde, das wäre doch noch nicht einmal ein Arbeitsunfall“ (klägerische Darstellung). Darauf hat sich Herr S. zum Kläger und dem Kollegen A. begeben und hat, wenn man seine weiteren Äußerungen auf ihren sachlichen Kern zurückführt, den Kläger für sein unbotmäßiges Verhalten zur Rede gestellt. Der Kläger hat darauf sinngemäß erwidert, „Ich bin doch nicht dein Friseur“. Daraufhin hat Herr S. den Kläger angewiesen, die Arbeit sofort einzustellen und sich zum Container zu begeben; dem ist der Kläger nach anfänglicher Weigerung dann auch nachgekommen.

Herr S. unterrichtete noch am selben Tag Herrn L., den Hauptbauleiter, mündlich von dem Vorfall. Dieser hat von Herrn S. einen schriftlichen Bericht gefordert, den dieser dann unter dem Datum vom 18. Februar 2009 angefertigt und am 19. Februar 2009 Herrn L. ausgehändigt hat (Kopie Blatt 160 d. A., es wird Bezug genommen). Der Bericht ist der Geschäftsführung der Beklagten durch Herrn L. spätestens am 23. Februar 2009 (Montag) ausgehändigt worden. Die Beklagte hat sich dann allein auf Basis dieses Berichtes und ohne weitere Rücksprache mit den Beteiligten des Konflikts, zur Kündigung entschlossen.

Am 19. und 20. Februar 2009 (Donnerstag und Freitag) arbeitete der Kläger weiter unter dem Polier Herrn S.; allerdings wurde er am 19. Februar für etwas mehr als einen halben Arbeitstag an eine andere Kolonne, die in einiger Entfernung zu dem Einsatzort der Kolonne S. zu arbeiten hatte, ausgeliehen.

Die Beklagte hat dem Kläger unter dem 2. März 2009 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich die Kündigung erklärt und im Übrigen unter dem 20. März 2009 ebenfalls unter Berufung auf einen verhaltensbedingten Grund vorsorglich ein weiteres Mal ordentlich gekündigt. Die hiergegen gerichtete und später wegen der weiteren Kündigung erweiterte Kündigungsschutzklage, die der Kläger mit einem Weiterbeschäftigungsantrag verbunden hat, ist beim Arbeitsgericht am 18. März 2009 eingegangen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 24. Juni 2009 in vollem Umfang entsprochen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen. Das Urteil ist der Beklagten am 1. September 2009 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete und sogleich begründete Berufung ist hier am 15. September 2009 eingegangen.

Die Beklagte verfolgt auch im Berufungsrechtszug das Ziel, die Klage insgesamt abweisen zu lassen.

Sie ist der Auffassung, Herr S. habe in angemessener Weise den Kläger und Herrn A. aufgefordert, ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Denn wenn Herr S. gesagt hat, „Soll ich mich noch dazustellen und mitquatschen oder geht es jetzt weiter?“ sei damit keine Aussage verbunden, durch die sich der Kläger provoziert fühlen konnte. Die Äußerung sei auch nicht übermäßig laut erfolgt, da die beiden Personengruppen allenfalls fünf bis zehn Meter auseinander gestanden hätten. Erst die darauf folgende Reaktion des Klägers sei völlig unangemessen gewesen.

Der Kläger habe mit seiner Wortwahl („Arschloch“) den Polier grob beleidigt und habe ihm zudem körperliche Gewalt angedroht. Damit habe er die Autorität seines Vorgesetzten vor den anwesenden weiteren Mitarbeitern in Frage gestellt. Eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit sei damit nicht mehr möglich. Der Vorfall zeige auch, dass der Kläger nicht in der Lage sei, sich wie in einer Kolonne erforderlich unterzuordnen und die Autorität des Poliers anzuerkennen. Ihm fehle daher die Eignung zur weiteren Mitarbeit bei der Beklagten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 24. Juni 2009 – 2 Ca 530/09 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger behauptet, der Polier Herr S. habe zu Beginn des Dialogs ungefähr 15 Meter entfernt gestanden und habe daher bei seiner unfreundlichen Aufforderung zur Arbeitsaufnahme förmlich geschrien. Es habe aber gar nichts mehr zu arbeiten gegeben. Er und der Kollege A. hätten ihr Tagwerk verrichtet gehabt und man habe nur noch das Werkzeug zusammensuchen und verstauen müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die dem Streitgegenstand nach ohne weiteres statthafte Berufung, die auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 2. März 2009 ist unwirksam, da es an einem wichtigen Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB mangelt.

Nach § 626 Absatz 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann. Das kann hier nicht festgestellt werden.

Die Prüfung des Vorliegens eines „wichtigen Grundes“ erfolgt – wie vom Arbeitsgericht zutreffend wiedergegeben – üblicherweise in zwei Schritten. Zunächst ist festzustellen, ob ein Verhalten vorliegt, das „an sich“, also ohne Rücksicht auf die Gegebenheiten des Einzelfalles, geeignet ist, einen wichtigen Grund zur Kündigung darzustellen. Ist das der Fall, muss in einem zweiten gedanklichen Schritt geprüft werden, ob es dem Arbeitgeber anlässlich des Vorfalles und aller seiner relevanten Einzelheiten sowie unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen tatsächlich unzumutbar ist, an dem Arbeitsverhältnis weiter festzuhalten (vgl. nur BAG, Urteil vom 17. März 1988 – 2 AZR 576/87 – AP Nr. 116 zu § 626 BGB).

Nach diesem Maßstab liegen die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung selbst dann nicht vor, wenn man nur den unstreitigen Sachverhalt und die Behauptungen der Beklagten zu Grunde legt. Auf die klägerischen Behauptungen kommt es daher nicht an. Der Fall ist ohne Beweisaufnahme entscheidungsreif.

1. Im Gegensatz zum Arbeitsgericht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die behauptete Äußerung des Klägers „Komm doch her du Arschloch, ich hau dir paar in die Fresse“ an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 BGB zu rechtfertigen. Denn mit dieser Äußerung wird der Gesprächspartner beleidigt.

Die Verwendung des „A-Wortes“ ist beleidigend, weil sie den Gesprächspartner herabwürdigt. Das gilt selbst dann, wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass dieses Wort zu seinem üblichen Wortschatz gehört und er es immer wieder gedankenlos verwendet, auch wenn er nur zum Ausdruck bringen will, dass er seinen Gesprächspartner nicht schätzt oder dessen Verhalten für unangemessen hält.

Die in der Äußerung steckende körperliche Bedrohung des Gesprächspartners hält das Gericht dagegen nicht für erheblich. Denn es handelte sich auch für den Gesprächspartner erkennbar um eine „hohle“ Drohung. Die Gefahr, dass es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und Herrn S. hätte kommen können, hält das Gericht für ausgeschlossen. Dies schließt das Gericht zum einen aus dem weiteren Dialog der beiden, in dem das Thema körperliche Gewalt keine Rolle mehr gespielt hatte, obwohl sich Herr S. zum Kläger begeben hatte.

Zum anderen geht das Gericht davon aus, dass es für den Kläger üblich ist, mit seinen Äußerungen körperliche Gewalt anzudrohen, obwohl er genauso selten wie alle anderen Menschen tatsächlich in Erwägung zieht, einen Mitmenschen zu verprügeln. Dies schließt das Gericht zum einen aus dem persönlichen Eindruck, den der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung gemacht hat. Das Gericht hat den Kläger als eine Person kennengelernt, die sehr von sich überzeugt ist und die darunter leidet, dass in seiner Arbeitsumgebung seine besonderen Leistungen und Fähigkeiten nie oder jedenfalls nur unzureichend gewürdigt werden. Daraus ergibt sich eine leicht beleidigte und durchgängig passive unter Umständen sogar durch depressive Stimmungen eingefärbte Grundhaltung gegenüber seinen Kollegen und Vorgesetzten. Das mag eine nur sehr eingeschränkte Toleranz gegenüber Weisungen, die aus seiner Sicht eines sachlichen Grundes entbehren, zur Folge haben. Er wehrt sich dagegen aber nur mit verbalen Explosionen. Tatsächliche Handgreiflichkeiten sind nicht zu befürchten, denn sie würden eine Überwindung der passiven Grundhaltung voraussetzen. Tatsächliche körperliche Auseinandersetzungen mit Kollegen sind – und das ist das zweite Standbein der gerichtlichen Überlegungen – nach dem Vortrag beider Parteien in den acht Jahren der beiderseitigen Zusammenarbeit auch nicht bekannt geworden. Zutreffend hat das Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass Herr S. sich ohne weiteres hätte weigern könne, mit dem Kläger in den Folgetagen weiter zusammen zu arbeiten, wenn er sich durch ihn tatsächlich körperlich bedroht gefühlt hätte. Die Tatsache der weiteren Zusammenarbeit bis zum Freitag spricht also dafür, dass Herr S. sich nicht bedroht gefühlt hat.

Da also keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger tatsächlich bereit war, die angedrohte körperliche Gewalt auch in die Tat umzusetzen, scheidet dieser Teil seiner Äußerung als eigenständiger Grund zur Kündigung aus.

2. Bei der Bewertung von Art und Schwere der Beleidigung seines Vorgesetzten gibt es für den Kläger entlastende und belastende Momente.

Zu Lasten des Klägers spricht, dass die Äußerung dem unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers galt. Sie richtete sich somit gegen den für den Kläger zuständigen Repräsentanten des Arbeitgebers. Außerdem ist die Äußerung so erfolgt, dass weitere Mitarbeiter des Arbeitgebers sie zwangsläufig mitgehört haben. Damit verschärft sich zum einen die Wirkung der Beleidigung. Zum anderen ist dadurch der Vorgesetzte in besonderer Weise herausgefordert, auf das Infragestellen seiner Autorität zu reagieren.

Entlastend ist für den Kläger die Vorgeschichte der Äußerung. Denn zum einen ist die Beklagte der klägerischen Darstellung nicht entgegengetreten, dass der Kläger und sein Kollege A. ihr Tagwerk zu dem Zeitpunkt, als sie die Arbeit gegen Feierabend für eine Gesprächspause unterbrachen, bereits erledigt hatten. Wenn man sich aber bereits in der Phase des abschließenden Aufräumens befindet und die restliche Zeit bis zum Aufbruch dafür ausreichend lang ist, ist gegen eine sich aus der Situation heraus ergebende Gesprächspause eigentlich nichts einzuwenden. Zum anderen muss die Art und Weise, wie Herr S. den Kläger und Herrn A. an ihre Arbeitspflicht erinnert hat, zumindest als ungewöhnlich bezeichnet werden. Denn die Äußerung „Soll ich mich noch dazustellen und mitquatschen oder geht es jetzt weiter?“ geht weit über eine freundliche Aufforderung, die Arbeit zu Ende zu führen, hinaus. Im günstigsten Falle ist das der fehlgeschlagene Versuch, Humor zu zeigen, den aber jemand, der den Kläger näher kennt, an dieser Stelle tunlichst unterlassen hätte. Oder die Äußerung ist Ausdruck einer gewissen Geringschätzung der angesprochenen Personen, da zum Ausdruck gebracht wird, dass die Angesprochenen eigentlich selber hätten darauf kommen können, dass sie ihre Arbeitspflicht vernachlässigen.

In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht wird immer wieder betont, dass aus dem Kreis der denkbaren Beleidigungen nur die groben Beleidigungen eine Kündigung rechtfertigen könnten (vgl. zum Beispiel BAG 10.10.2002 – 2 AZR 418/01DB 2003, 1797). Grob ist eine Beleidigung, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen darstellt (BAG a. a. O.). Diese Feststellung kann nach den geschilderten Umständen hier nicht getroffen werden. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass selbst die weitere Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und Herrn S. nach der Beleidigung zwar mit scharfen Worten geführt wurde, es dabei aber nicht nochmals zu einer Wiederholung und gar Vertiefung der Beleidigung gekommen ist.

3. Im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung ist es für das Gericht entscheidend, dass die Beklagte objektiv in der Lage ist, mit dem Kläger weiter gedeihlich zusammen zu arbeiten. Der Kläger ist zwar – wenn man das einmal so ausdrücken darf – ein schwieriger Zeitgenosse. Unter anderem neigt er wohl dazu, auf kleinste Fehler seiner Vorgesetzten übertrieben zu reagieren. Daraus folgt aber nur, dass der Kläger nicht in allen Kolonnen der Beklagten einsetzbar ist, sondern nur dort, wo es Poliere gibt, die den Kläger „zu nehmen wissen“, wie man das umgangssprachlich so treffend formulieren kann.

Das damit verbundene Ausmaß der Einschränkung seiner Einsetzbarkeit muss die Beklagte hinnehmen. Es gehört zu den üblichen Problemen beim Arbeiten in Kolonnen, dass manche Kollegen oder manche Arbeitnehmer und Vorgesetzte einfach nicht miteinander können. Darauf kann man bei der Einteilung der Kolonnen Rücksicht nehmen. Ernsthafte betriebliche Störungen gibt es nur, wenn einzelne Arbeitnehmer in gar keine Kolonne oder nur noch in eine einzige Kolonne integriert werden können. Dass dies für den Kläger zutrifft, kann nicht festgestellt werden. Insoweit hat das Gericht ergänzend berücksichtigt, dass die Beklagte der Einlassung des Klägers, mit seinem Stammpolier Herrn Sch. gebe es keine Probleme, nicht entgegengetreten ist.

II. Auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 2. März 2009 sowie die nachgeschobene ordentliche Kündigung vom 20. März 2009 sind nicht wirksam, denn ihre soziale Rechtfertigung im Sinne von § 1 Absatz 2 KSchG kann nicht festgestellt werden.

Die Voraussetzungen für eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung liegen nicht vor. Das ergibt sich bereits indirekt aus den obigen Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung. Ergänzend ist hervorzuheben, dass es der Beklagten zumutbar gewesen wäre, dem Kläger vor Ausspruch der Kündigung durch eine Abmahnung klar zu machen, dass er sich allen Vorgesetzten unterordnen muss, unabhängig davon, ob er sich im Einzelfall immer gerecht behandelt fühlt. Eine solche Abmahnung wäre auch ausreichend gewesen, um angemessen auf die Autoritätskrise, die durch das klägerische Verhalten ausgelöst wurde, zu reagieren.

III. Da der Kläger mit seinen Kündigungsschutzanträgen obsiegt hat, ist die Beklagte auch verpflichtet, ihn bereits während des weiteren Verlaufs des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigungen weiter zu beschäftigen.

IV. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da das Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).

Die Revision kann nicht zugelassen werden, da die Zulassungsvoraussetzungen nach § 72 ArbGG nicht gegeben sind.

Dieser Beitrag wurde unter Arbeitsrecht abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.